Guten Tag, ich bin seit dreizehn Jahren Poetry Slammer. Ein Poetry Slammer oder Slam Poet liest für Schnaps, Bier und Büchergutscheine Texte auf Bühnen vor. Poetry Slammer zu werden ist nicht schwer, kann jeder werden, der sich dazu berufen fühlt. Man muss sich nur mit einem Text auf eine Bühne stellen und ihn, den Text vortragen (oder performen wie man in der Szene sagt). Mit ein bißchen Glück kann man dann einen Büchergutschein gewinnen oder sogar eine Flasche Schnaps. Das Bier ist meistens für alle kostenlos, weswegen an einem Slam auch viele Hobbyautoren teilnehmen, die gar nicht schreiben können, aber gerne Bier trinken.

Einen Rat möchte ich aber zukünftigen Poetry Slammern mitgeben. Der Text auf dem Zettel, der sogenannte Bühnentext sollte selbstgeschrieben sein. Er muss aber nicht selbstgeschrieben sein. Wenn der Text nicht aus der eigenen Feder stammt, sollte niemand im Publikum den wahren Autor kennen. Wenn herauskommt, dass der Text fremdgeschrieben ist, wird man vom Poetry Slam ausgeschlossen und darf nie wieder in seinem Leben an einem Poetry Slam teilnehmen. Da ist die Szene rigoros. Auf einem jährlich stattfinden Slam Master Meeting werden solche Fälle besprochen, schwarze Schafe ermittelt und neue Regeln aufgestellt.

Das Slam Master Metting ist sowas wie die UNO Vollversammlung. Hier haben alle eine Stimme, aber manche haben eine lautere Stimme und mehr zu sagen. Ansonsten sind aber alle Slammer ganz locker in der Poetry Slam Szene. Selber nennt man sich auch Slammily, was zum Ausdruck bringen soll, wie lieb sich alle haben. Slammily ist ein Kunstwort und bildet sich aus den beiden englischen Wörtern „slam“ und „family“.

Meistens werden Poetry Slammer nicht zu einem Poetry Slams eingeladen, sondern sie laden sich selber ein. Manche Slam Poeten fahren hunderte von Kilometern, um einem Dichterwettstreit teilzunehmen, auf dem sie sich selber eingeladen haben. Das hört sich genauso an, wie es ist.

In ihren Blogs und auf ihren Facebookseiten schreiben diese Lustknaben der Literatur dann, dass sie heute einen Auftritt in einem Autonomen Jugendzentrum am Kartenrand von Google Maps haben und sich riesig auf den Slam freuen. Noch mehr freuen sie sich, wenn ihre Fans auch alle vorbeischauen und ihnen eine Menge Punkte auf diesem Hüpfburg Abend der Literatur geben.

Oft gefällt das zwei Leuten. Meistens haben sie aber leider an diesem Abend keine Zeit.

Eine Frage, die immer wieder gestellt wird, ist, ob auf einem Poetry Slam oder Dichterwettstreit Literatur feilgeboten wird. Ich möchte hier auf den Kurs für musikalische Früherziehung eingehen, den meine einjährige Tochter momentan besucht. In den Wörtern „Kurs für musikalische Früherziehung“ versteckt sich auch das Wort Musik. Weiter möchte ich gar nicht auf die Frage nach der Literatur aufs Slam eingehen.

In meinem letzten Blog Eintrag habe ich versprochen, mich mit Frage auseinandersetzen, ob man von Slams leben kann. Ich möchte diese Frage aber nach hinten stellen und es heute mal gut sein lassen. Als Hausaufgabe gebe ich allen die Schreibaufgabe mit, eine Kurzgeschichte über den schönsten Tag in eurem Leben zu schreiben. Gerne dürft ihr diese Geschichte auf einem Slam vorlesen. Ihr seid dann Poetry Slammer und vielleicht schon bald im Besitz eines Büchergutscheins oder einer Flasche Schnaps. Das ist doch klasse. In diesem Sinne: Lasst uns träumen und carpe diem.