Ich bin Poetry Slammer. Auf jeden Fall sagen das die Leute, dass ich Poetry Slammer bin. Seit knapp dreizehn Jahren stehe ich auf Slam Bühnen, lese Kurzgeschichten und kriege dafür Schnaps, Büchergutscheine und manchmal einen Pokal. Meistens bekomme ich aber gar nichts, manchmal vielleicht ein paar Euro Fahrkostenerstattung und eine Luftmatratze zum Schlafen.

Ein Poetry Slammer ist vor allem ein Hobbyautor, der vorgibt ein richtiger Autor zu sein, weil er vor vielen Leuten selbstgeschriebene Texte vorträgt. Ein Poetry Slammer oder Slam Poet hat einen seltsamen Blick auf die Welt. So glaubt er oder sie gerne, dass die hundert Leute, denen er oder sie seinen Text vorträgt, wegen ihm oder ihr gekommen sind. Ein Poetry Slammer sagt zum Beispiel gerne, dass er gestern vor fünfhundert Leuten gelesen hat und alle hart begeistert waren. Er erwähnt dabei nicht, dass sich niemand eine Spur für ihn interessiert. Das Publikum kommt zum Poetry Slam, weil sie einen Poetry Slam besuchen möchten und nicht, weil sie den einen Autor sehen wollen. Diese Sicht der Dinge macht einen Slam Poeten zu einem sehr kreativen, aber auch schizophrenen Menschen.

Poetry Slams sind offene Bühnen, wo man Schnaps, Büchergutscheine und manchmal einen Pokal gewinnen kann. Auf Poetry Slams lesen und performen anerkennungssüchtige Menschen selbstgeschriebene Texte, die vom Publikum bewertet werden. Das Publikum ist also die kritische Jury oder Masse. Der Slam Poet hat ein sehr ambivalentes Verhältnis zum Publikum. Geben sie ihm Punkte, bestenfalls so viele Punkte, dass er Schnaps, einen Büchergutschein oder einen Pokal bekommt, findet er das Publikum heute richtig knorke, ansonsten findet er aber das Publikum dumm und müde.

Das müde und dumme Publikum bekommt Stimmtafeln, Stimmzettel, mit denen sie die Hobbydichter bewerten können. Sie sind also Teil der Show und können sich nicht einfach die ganze Zeit betrinken und in den Ausschnitt ihrer Sitznachbarin starren. Hier liegt einer der Gründe, warum der Poetry Slam als eine kluge Veranstaltung gesehen wird. Das ist auch schon der ganze Spaß an einem Poetry Slam, einem Dichterwettstreit.

Kritiker sagen, dass auf Poetry Slams kurze Texte gelesen werden, die auf die verkümmerte Aufnahmefähigkeit der Generation „Instagram“ eingehen. Meistens gewinnt der junge Spaßmacher oder der Hobbyautor, der am häufigsten die Wörter Ficken, Sperma oder Donald Trump in seinen Text verwendet hat. Das ist richtig.

Ich erzähle in meinen erfolgreichsten Texten zum Beispiel gerne über meinen Penis. Penistexte kommen immer gut an. Das weiß ich. Ich habe eine Menge Pokale und Schnapsflaschen, die auf einen Penistext zurückzuführen sind.

Außerdem läuft es recht gut auf einem Dichterwettstreit für Slam – Randgruppen, also Personen, die eine Ausnahme auf Slams darstellen. Slam Randgruppen sind zum Beispiel sehr junge Hobbyautoren, Frauen, Behinderte und junge behinderte Hobbyautorinnen oder sehr alte behinderte Hobbyautoren (aber weniger). Männer Mitte Zwanzig mit Bart müssen dagegen durch ihren Text und den Vortrag punkten, heißt sie müssen öfters über ihren Penis oder ihr nächtliches Geschlechtsverkehrverhalten in der Großstadt berichten. Das ist natürlich schwieriger.

Worauf will ich hinaus? Eine gute Frage. Hierauf werde ich in meinem nächsten Text eingehen, der sich mit dem der wundervollen Frage beschäftigt, ob man vom Slam leben kann.