Herr Hoffmann steht hinter seiner Theke, frühstückt. Es ist kurz nach zehn Uhr und Herr Hoffmann hat gerade seinen Kiosk aufgeschlossen und den Zeitungsaufsteller rausgestellt (BILD schreibt:“Automobilclub wettert gegen Grünzilla“, „Meine wilde Party Nacht mit Prinz Harry“).

Vor dem Öffnen war er noch beim Billig-Bäcker, der erst letztes Jahr die Straße runter eine Filiale aufgemacht hat. Er hat sich einen großen Milchkaffee und eine Laugen-Ecke, wie so oft morgens, gekauft, und sich, wie so oft morgens, über die gute Laune der Verkäuferin gefreut.

Die Frau hinter der Kasse ist ein Sonnenschein. Sicher nicht nur für Herrn Hoffmann, denkt Herr Hoffmann. Sie grüßt immer freundlich, lächelt und Herr Hoffmann nimmt ihr das Lächeln sogar ab. „Und das ist nicht selbstverständlich“, weiß Herr Hoffmann. „Das ist ganz und gar nicht selbstverständlich“, sagt er zu sich selber.

Herr Hoffmann weiß nicht, ob die Frau glücklich mit ihrem Job ist. Wie auch? Er weiß auch nicht, ob sie mit dem Geld auskommt. Er weiß nicht, wieviele Mäuler sie mit ihrem Gehalt stopfen muss, und ob sie sich abends die Haare rauft, weil das Geld vorne und hinten nicht reicht. Er weiß ja noch nicht mal, wie sie heißt. Das Einzige, was er weiß, ist, dass sie immer freundlich zu ihm und auch zu den anderen Gästen ist. Und so fühlt man sich auch bei ihr in der Bäckerei – und das ist alles andere als Selbstverständlich – als willkommener Gast.

Dabei hat, laut der ganzen Zeitungen, so eine Bäckereiaushilfe wahrhaftig keinen Grund freundlich zu sein oder zu lachen. Paket Botinnen, Taxifahrerinnen, Verkäuferinnen, Lieferantinnen, sie alle haben wenige Gründe zu lachen. Worüber auch: Die Einkommensschere im Land geht immer weiter auseinander und sie, die Bullshit – Jobber (Der Begriff sagt alles“, flüstert Herrn Hoffmann) zählen als ihre Verlierer. „Moderne Sklaven, Opfer“ schreiben die Zeitungen, liest man in den Sozialen Medien.

Und wenn einer dieser Opfer sagt, dass er glücklich ist, wird er auch noch angepöbelt. Mit Mindestlohn darf man nicht glücklich sein, schimpft es überall. Jedenfalls darf man es nicht sagen oder zeigen. Wer mit so einem Gehalt glücklich ist, verhindert, dass Milliarden von Menschen irgendwann einmal mehr Geld, mehr Respekt für ihre Arbeit kriegen.

„Lächeln verboten“, flüstert Herr Hoffmann und lächelt verboten. Alles moderne Arbeitssklaven laut Definition. Seine freundliche Verkäuferin müsste ihn eigentlich auch anschnauzen. Ja, ihm die Laugen-Ecke ins Gesicht spucken. „Alles Schweine“, müsste sie schreien.

Alles richtig, denkt Herr Hoffmann. Natürlich verdient sie zu wenig, die Verkäuferin, aber auch sein Stammkunde, der Paket Bote Paket Paul oder der LKW Fahrer der ihm die Waren einmal die Woche bringt. „Vielleicht“, so grübelt es im Büdchen Hirn, „vielleicht verdienen die Anderen aber auch einfach zu viel.“

Auch wenn es keiner hören will: Nicht alle mehr, sondern alle weniger ist für Herrn Hoffmann die Lösung.

„Aber manches darf man vielleicht wirklich nicht sagen, ohne es schlimmer zu machen“, grübelt Herr Hoffmann laut und traurig.

Da läutet sein Türglöckchen, Herr Hoffmann lächelt. Guten Tag, grüßt er freundlich hinter seiner Theke.