Herr Hoffmann steht hinter seiner Theke. In seinem Büdchen ist ein großes Tohuwabohu. Man unterhält sich über Politik und die baldigen Wahlen. Günter ist mal wieder da, Lukas natürlich und auch Herr Ärmel. Es wird, um mal eine Metapher zu verwenden, bis aufs Blut diskutiert.

„Herr Ärmel, du bist wirklich ein Pimmel“, sagt gerade Lukas und Herr Hoffmann sieht, wie bei Herrn Ärmel das Blut in den Adern zu kochen beginnt. „Lieber junger Mann,“ wehrt sich der Ruheständler, „zum Einen bin ich für Sie immer noch „Sie, Herr Ärmel“, soviel Zeit muss sein, zum Anderen finde ich es ziemlich daneben, mich Pimmel zu nennen, nur weil ich eine andere Meinung habe.“

Jetzt lacht Günter. Der Zigarillo Raucher steht an dem einzigen Tisch im Büdchen und rührt sich aggressiv Milch und Zucker in seinem Kaffee – der Kaffee schwappt über den Tassenrand. „Herr Ärmel, ich denke, er hat dich Pimmel genannt, weil du ein Pimmel bist und nicht wegen deiner politischen Meinung, “ duzt der offensichtliche Rechtsaußen-Wähler den armen Herr Ärmel. Lukas nickt heftig. „Genau. Oder haben Sie keinen Pimmel, Herr Ärmel?“, fragt Lukas rhetorisch.

Jetzt mischt sich Herr Hoffmann in das Gespräch ein. „Leute, ich möchte nicht, dass hier in meinem Kiosk irgendwer Pimmel genannt wird. Und schon gar nicht Herr Ärmel. Ich schätze Herrn Ärmel und unsere Gespräche und ich will nicht, dass meine Kunden hier beleidigt werden.“

„Kann sich der Pimmel nicht selber wehren“, sagt Günter, der ganz offensichtlich auf Krawall aus ist. „Also…“ Gerade will Herr Ärmel ansetzen und sich, wie gewünscht, wehren, da fährt ihm aber schon wieder Herr Hoffmann ins Wort.

„Günter, wenn Sie nur mit Pimmel um sich werfen können, gehen Sie besser“, sagt Herr Hoffmann so gerade noch freundlich.

„Ich kann mich auch selber wehren, Herr Hoffmann“, sagt nun Herr Ärmel wütend. Er mag es gar nicht, wenn man für ihn redet. Noch nicht einmal ein Herr Hoffmann.

„Pimmel“, sagt Günter und grinst. Lukas lacht laut auf.

Herr Hoffmann zieht für alle hörbar die Luft ein und will gerade etwas erwidern, doch Günter ist schneller. Der Starkraucher erklärt den Anwesenden die Welt, seine Günter-Welt.

„Also, Pimmel ist für mich kein Schimpfwort. Pimmel ist doch nett. Wenn der junge Mann (Günter zeigt auf Lukas) jetzt Schwanz oder Fickrakete oder Bumsstengel gesagt hätte. Gut, das wäre schon beleidigender gewesen. Aber Pimmel? Herr Hoffmann, ich bitte sie“, sagt Günter, zieht eine Augenbraue hoch und führt weiter aus. „In Hamburg wurde jetzt der Innensenator von linken Zecken Pimmel genannt. Der hat dann gleich eine Hausdurchsuchung in diesem autonomen Sumpf in Auftrag gegeben“

„Was ein Pimmel“, sagt Lukas.

„Aha“, sagt Herr Ärmel. „Ich dachte, Pimmel wäre so neutral. Aber jetzt haben sie ja selber Pimmel als Beleidigung gebraucht.

„Weil er sich pimmelig aufgeführt hat“, erklärt der Student.

„Der Innensenator wurde von linken Zecken als Pimmel bezeichnet, weil er sich gegen illegale Corona Partys gewendet hat“, weiß Günter zu berichten.

„Linke Zecken darf man also als Pimmel beschimpfen, oder was?“, fragt Herr Ärmel an Günter gewandt

„Linke Zecken darf man auch gegen die Wand stellen“, sagt Günter böse.

„So, jetzt reicht es. Sowas will ich hier nicht hören. Raus. Sofort. Alle. Hier wird niemand an irgendeine Wand gestellt. Wenn ich so ein Mist höre, kommt mir die Galle hoch“, schimpft Herr Hoffmann. „Lukas, von dir hätte ich da wirklich etwas anderes erwartet.“

Seine Kunden schauen ihn erstaunt, aber auch erschrocken an. Sie haben Herrn Hoffmann selten so sauer gesehen. „Da sehen Sie es, Günter“, was Sie angerichtet haben. Scheiß Nazi“, greift Lukas jetzt Günter an. „Ich? Wer hat denn mit Pimmel angefangen? Du oder ich“, wehrt sich der rechtskonservative Kettenraucher. „Du“, sagt Lukas und schaut grimmig zu Günter. Offensichtlich verschieben sich gerade erneut die Fronten.

Da geht das Türglöckchen. Es ist Michael – BILD Leser, Schnorrer, Alkoholiker.

„Na, ihr Pimmel. Alles klar?“, fragt er unbedarft.

Herr Hoffmann schlägt sich mit der offenen Hand an die Stirn.

„Autsch, der hat mir noch gefehlt“, sagt er halb zu sich selber, halb zu den Kunden. „Seine Kundschaft kann man sich nicht aussuchen“, sagte mal eine Kollege“. Das ist wohl Blödsinn, denkt Herr Hoffmann, aber man kann als Büdchen Besitzer wenigstens entscheiden, wann man die Kunden vor die Tür setzt.

„Nämlich jetzt“, flüstert Herr Hoffmann zu sich selber und drängt die vier Männer aus seinem Büdchen. Michael versucht noch schnell Schnaps und eine Zeitung anschreiben zu lassen. Aber sogar hierfür hat der Büdchen Betreiber gerade keine Nerven. „Heute nicht“, brüllt er den Schnorrer an.

„Ist ja gut“, sagt Michael geknickt.

„War doch nicht so gemeint“, meint auch Lukas, der jetzt auch endlich merkt, dass er zu weit gegangen ist.

„Herr Hoffmann, war doch nur Spaß“, wirft jetzt auch noch einmal Günter ein.

„Also. Herr Hoffmann. Ich auch?“, fragt Herr Ärmel naiv. Herr Hoffmann antwortet noch nicht mal mehr da drauf.

„Alles Pimmel“, flüstert er, als er sie endlich auf der Straße hat. Am Liebsten würde er abschließen und Feierabend machen. In zwei Wochen sind Wahlen, danach wird sich die Stimmung wieder beruhigen. Glaubt er. Oder es wird noch schlimmer, weiß er.