Herr Hoffmann steht hinter der Theke. Er denkt und er liest. Hanna Arendt. Er hat das Buch unter seiner Theke ein wenig versteckt, so dass die Kunden es nicht gleich sehen, wenn sie zum Bezahlen zur Theke kommen. Er möchte nicht als Spinner gelten. Wenn ein Büdchen Betreiber sich hinter seiner Theke solchem Zeugs hingibt, zählt er schnell als Spinner bei den Leuten. Das gilt natürlich nicht nur für Büdchen-Betreiber: Schon als Jugendlicher hat Herr Hoffmann gerne die Antiken gelesen. Er war immer fasziniert davon, dass vor zweieinhalb Jahrtausenden Gedanken aufgeschrieben wurden, die jetzt noch den Nagel auf den Kopf treffen. Einmal saß er mit seinem Platon vorm “HOT”, dem städtischen Jugendzentrum in seinem Viertel. Als eine Gruppe gelangweilter Vorstadt Krokodilchen ihn mit seinem Buch sah, gab es Prügel; er kam nicht aus dem besten Viertel. Bücher vorm HOT lesen, machten hier nur Spinner.

Auf Philosophie hatte er nach der Prügel jedenfalls keine Lust mehr. Doof gelaufen, denkt Herr Hoffmann manchmal, meistens verdrängt er aber nur die alten Geschichten.

Heute traut er sich wieder zu lesen, seinem Sokrates zuzuhören, seinen Fragen, seinen Ideen. Die ewigen Ideen, die hinter den Dingen liegen, die unsterlichen Götter und am Ende der Kette, der Mensch, der sich als einziges Wesen seiner Sterblichkeit bewusst ist.

Herr Hoffmann grübelt: Die Industrieware Mensch, das männliche Schredderkücken hat mit Ewigkeit und Unsterblichkeit wenig am Hut. Manche unter ihnen versuchen sich durch ihre Erfindungen, ihre Slebstgemachtes bisschen Unsterblichkeit zu geben. Die Meisten fristen ihr Dasein und versuchen so wenig wie möglich, über alles nachzudenken. Mit ihrer “Kauf dich glücklich” Philosophie plus Ficken, Fressen, Fernsehen kriegen sie den Tag schon rum, denkt Herr Hoffmann. Wenn uns tatsächlich eine andere Spezies aus den Tiefen des Alls belauscht, was wird sie zu diesen Menschen sagen, die Ü-Eier oder Plastikschweinchen sammeln und am Besten nicht über Morgen nachdenken?

Was? Herr Hoffmann mag es, seine Gedanken einfach treiben zu lassen, alleine in seinem Büdchen zu stehen und sich in seine Welten zu denken. Auch wenn sie ihn manchmal auch sehr traurig machen.

„Das, dieses Denken, ist eine gute Sache”, sagt er zu sich und legt ein alten Bierdeckel als Lesezeichen in sein. Er muss Schluss machen. Mit Denken. DasTürglöckchen läutet und er will nicht als Spinner zählen.