Herr Hoffmann steht hinter seiner Theke und unterhält sich mit Paket Paul, der gerade seine Mittagspause bei Herrn Hoffmann verbringt. Sie reden über die Wahlen zum Bundestag, die im September sind.

„Ich weiß dieses Jahr gar nicht, wen ich wählen soll“, sagt Paket Paul schwermütig. „Bei uns arbeiten meine Frau und ich Vollzeit und trotzdem reicht es gerade mal so. Das kann doch nicht sein, Herr Hoffmann? Was wählst du denn?“, jammert er und schaut hoch zum Büdchen Betreiber. Herr Hoffmann zieht seine Augenbrauen hoch. „Tja, ich weiß nicht“, sagt er ehrlich.

Früher hat der „Herr des Büdchens“ immer die Grünen gewählt, aber dieses Jahr ist er unsicher. Er findet die Kanzlerkandidatin der Grünen unsympathisch und neben dem Partei-Programm ist doch auch Sympathie wichtig. Vielleicht sogar noch wichtiger. Aber dieser Laschet geht für Herr Hoffmann gar nicht. Und der Scholz? Ja, den könnte er wählen, aber er befürchtet, dass seine Stimme wegschmissen ist, wenn er die Sozialdemokratie wählt.

„Naja, welcher Politiker war einem vorher schon sympathisch?“, fragt Paket Paul und Herr Hoffmann fallen da schon ein paar Namen ein. „Wie auch immer.“ Paket Paul winkt ab. „Aber ich kann doch niemanden wählen, der mir als Paket Bote gar nichts anbietet, und vor allem mir das Gefühl gibt, dass ich nichts wert bin. Das ist es doch: Ich will doch nicht einfach mehr Geld, Urlaub, Rente mit 60zig. Das ist alles auch schön und klar nehme ich das mit. Aber…“ Paket Paul macht eine Kunstpause. „Aber was ich, Herr Hoffmann, was ich wirklich will, ist Anerkennung. Anerkennung für ihren blöden Paket Boten.“ Herr Hoffmann sieht, wie Paket Paul seine Hände zu Fäusten ballt, er ist aufgebrachter als Herr Hoffmann zuerst gedacht hat. So zornig kennt er seinen Boten gar nicht. Des Botens Zorn sieht man sogar, wenn man ihn nicht so gut kennt. „Ja, ich bin nur ein blöder Paket Bote, trotzdem sorge ich mit meiner Frau für unser Kind, für die Familie, gebe mir Mühe, und sie, meine Judith („Judith heißt sie also“, denkt Herr Hoffmann) arbeitet auch noch ehrenamtlich im Umweltschutz, ich engagiere mich innerhalb unserer Nachbarschaft. Wir machen was. Es ist uns wichtig.“ Kunstpause. „Aber am Ende bin ich doch nur wieder nur so ein Bullshit Jobber. Das sagen doch alle, sogar die Linken: Die Bullshit Jobber. Was für eine Arroganz ist das denn?“

Herr Hoffmann nickt. Er sieht das leider ganz ähnlich: Früher hat man seinen Job gemacht und egal, ob du Taxifahrer oder Müllmann warst, hat man dir trotzdem noch Respekt entgegengebracht. Gut, ein Scheiß Job war auch früher ein Scheiß Job. Aber man wurde nicht gleich in die Scheiß Job Schublade gesteckt. Aber heute? Sobald man einen dieser Billiglohn-Jobs macht, bekommt man gleichzeitig noch den Opfer Stempel von der Gesellschaft mitgeliefert. „Oh, ein Bullshit Jobber. Arme Sau.“ Sogar die Politik nennt einen arme Sau.

„Ich meine ja gar nicht, dass früher alles besser war. Aber mehr Respekt war schon, oder?“

„Ja, vielleicht.“ Auch Herr Hoffmann musste schon viele schlechte Jobs in seinem Leben machen. Er weiß genau, was Paket Paul meint: Anerkennung ist auch eine Art Lohn.

Das Glöckchen der Ladentür läutet. Es ist Schulschluss. Ein paar Schülerinnen decken sich vor ihrer Heimfahrt mit den Öffentlichen noch mit Süßigkeiten, Getränken und Zigaretten im Büdchen ein.

„Moin, Herr Kiosk-Fuzzi“, sagt eine viel zu aufgebrezelte Schülerin beim Eintreten. Ihre Freundinnen, nicht weniger geschmacklos gekleidet, lachen doof.

„Guten Tag“, lächelt Herr Hoffmann freundlich zurück. Natürlich ist es auch für ihn nicht immer leicht, höflich zu bleiben. Gerade die Schule gegenüber ist für Herrn Hoffmann jeden Tag aufs Neue Herausforderung. „Lächeln“, sagt sich Herr Hoffmann in solchen Momenten immer und immer wieder. „Ich muss lächeln.“

Er verkauft den Schülerinnen ein paar lose Zigaretten, Schokolade oder Cola. Dann stehen Herr Hoffmann und Paket Paul wieder alleine im Kiosk.

„Herr Kiosk Fuzzi?“ Paket Paul verzieht das Gesicht. „Das meine ich, Herr Hoffmann. Anerkennung. Respekt. Aber sag mal, verkaufst du wirklich immer noch lose Zigaretten?“ Herr Hoffmann nickt. Paket Paul lacht. „Alter, du bist echt ne Hupe.“ „Hup hup“, macht Herr Hoffmann und grinst.