2020, Kultur in kulturarmen Zeiten. „Sie haben Post“, sagte der Postbote und gab mir einen Brief. GEMA stand dort. Nachdem mich der Brief ein paar Tage blöde angelächelt hatte oder ich mir einbildete, dass er blöde lächelte, öffnete ich ihn heute, also den blöde, lächelnden Brief. Ich täuschte mich nicht, der Brief war so charmant wie das Fräulein Rottenmeier in Heidis schlimmsten Albträumen. Das Fräulein Rottenmeier suchte nach neuen Einnahmequellen, nachdem die alten auf Grund einer Seuche versickert waren.

2020, Kultur in kulturarmen Zeiten. Das Fräulein Rottenmeier hält auch noch die letzten Kulturschaffenden von ihrem Handwerk ab. Das geschriebene Wort auf der Bühne, vielleicht mit einem Lächeln präsentiert, wird als literarisches Kabarett einsortiert. „Und das ist gebührenpflichtig, Herr Weber. Sie können doch nicht einfach lesen, was sie wollen.“ „Aber es sind doch meine Worte“, sage ich leise und erfahre, dass auch meine Worte kostenpflichtig sind.

2020, Kultur in kulturarmen Zeiten. Ein paar schreien, was das Fräulein Rottenmeier alles Gutes für sie getan hat, „Nein. Es geht nicht um mich. Es geht um mein Recht“, schreien sie. Ein paar schreien immer, schreibe ich. Wer 2020 noch Künstler sein möchte, sollte es vor allem auf dem Papier sein. GEMA Mitglied, KSK Mitglied und gerne noch einen täglich gepflegten Social Media Account. Dein Online Poesie Album für deine Kunst, lachen sie. Ich lache auch. „Haha.“ Na, habe ich gelacht?

2020, Kultur in kulturarmen Zeiten. Vor vier Jahren war es bei mir soweit. „Herr Weber, Sie haben Post“, sagte der Postbote und gab mir einen Brief, der wenig Hoffnung versprach und letztlich doch welche gab. Es war die Künstlersozialkasse, die mir schrieb. Ein Bescheid, stand dort. „Nach §1 KSVG sind sie im Sinne des Gesetzes ein Künstler und nach §8 Abs. 1 KSVG auch noch ein versicherungspflichtiger.“ Ich war nach dem Gesetz auf einmal ein Künstler. So einfach geht das, dachte ich. Ich lachte. „Haha.“ Na, habe ich gelacht? Jetzt hatte ich es schwarz auf weiß: Nicht die Arbeit zählt, sondern der Paragraph.

2020. In diesen kulturarmen Zeiten ist der Künstler auch nur noch eine Schraube, ein Zahnrad im Getriebe der Bürokratie, der Soforthilfe und des Verwertungsgesetzes. Aber ein Zahnrad mit einem schönen Online Poesie Album, lachen sie. „Haha.“ Na, ich habe auch gelacht. 2020. Ich sage zu euch Künstlern Verwertern, Versicherern: Fotz- und Fischköppe stinken aus dem Hals, was auch immer das bedeuten mag.