Vor mir steht ein Penner an der Supermarktkasse. Er ist etwas älter als ich, vielleicht sieht er auch nur älter aus. Penner sehen oft älter aus, als sie sind; das ist ein Merkmal eines Penners, ein Penner Skill. In dem Penner- Einkaufswagen liegen vier Flaschen Discount Cola und zwei Packungen Mettwürste. Ich frage mich, ob er die Dinger vorher kocht oder sich roh reinknuspert. „Vor dem Verzehr erhitzen“ steht auf der Packung, aber ich weiß von vergangenen Kater-Frühstücken, also Penner Mahlzeiten, dass dafür manchmal keine Zeit bleibt. Der Körper braucht Fleisch, fettiges Fleisch und zwar sofort. Da bleibt keine Zeit zum Erhitzen. Schon schwierig genug, die Packung aufzureißen, möchte man doch am Liebsten direkt ins Plastik beißen.

Der Penner trägt seine Penner Hose auf halb acht. Er stützt sich mit seinen Unterarmen auf den Einkaufswagen, wodurch sein Penner Pullover hochrutscht und ich seine haarige Penner Po-Ritze zu Gesicht bekomme. Unter der Ritze hängt seine zerschlissene Jeans, seine Turnschuhen trägt er als Slipper, auf dem Kopf eine Baseball Mütze, Trump Stil, mit ein paar fettigen Haaren, die hier und da hervorgucken.

Der Verkäufer fragt, ob der Penner Payback Punkte sammelt. Er muss das fragen, keiner glaubt wirklich, dass der Penner Payback Punkte sammelt. Ich muss an Harry Rowohlt denken: Autor, Lindenstraßen Schauspieler, Satiriker. Harry Rowohlt sah auch aus wie ein Penner. Doch Rowohlt schrieb großartige Bücher und in dieser Welt ist jemand, der großartige Bücher schreibt, niemals gleichzeitig ein Penner, auch wenn er sich selber als Penner bezeichnet. Die allgemeine Meinung lautet: Ein Penner ist im hier und heute nicht in der Lage Bücher zu schreiben. Ein Penner pennt und wenn er nicht pennt, was selten genug passiert, säuft er. Saufen und pennen machen einen Penner zum Penner. „Bücher schreiben“ verwandelt ihn in eine Alternative zur jetzigen Gesellschaft. Er ist aber für uns dann kein Penner mehr.

Charles Bukowski war so eine Alternative, Michel Houellebecq ist eine, Rowohlt war eine. Der Penner an der Supermarkt Kasse scheint kein Buch geschrieben zu haben, deswegen bleibt er bis zu seinem Ende in der Penner Schublade.

Glücklicherweise habe ich auch schon drei Bücher geschrieben. Ich kann also kein Penner sein. „Sammeln Sie Payback Punkte“, fragt der Verkäufer.

„Na klar.“ Ich halte meine Punkte Karte gegen das Lesegerät. Ich bin ein Punktesammler, ein Autor, ganz sicher kein Penner.