Was für ein armes Männchen! Quadrophenia mit Sting (seine erste Rolle als Schauspieler) gesehen und am nächsten Tag dem Opa den alten Armeeparka aus dem Schrank geklaut. Das Männchen wollte Mod oder Scooter Boy werden. So genau war das nicht klar; so genau kannte das Männchen den Unterschied nicht. Wichtig war aber (neben der Vespa, ein nie erfüllter Wunsch): Tabletten schlucken, bis man kotzt. Wie die Helden und Rebellen im Fernsehen. „Mods, Mods, we are Mods” schrie es beim Männchen im Kopf (Kotz, Kotz…bis es kotzt).

Alleine war das Männchen nicht mit seiner ganzen Subkultur, auch bei anderen schrie es im Kopf: Beim Schulkumpel Karl zum Beispiel. Der hatte auch den Film geschaut, sich sogar das gleichnamige Konzeptalbum (The Who – Quadrophenia) besorgt. Für so einen wie Karl kein Problem. Sein Vater ein angesehener Christdemokrat, Stadtrat, Elternsprecher, Prinz Karneval 1987 und stolzer Besitzer der Dom Apotheke. Hier, in der Apo, konnte der Kumpel sein Taschengeld durch Putzen und Pillen aufbessern. Am Samstagabend dann Kopfschmerztabletten, Blutverdünner und kleine roten Tabletten gegen Herz Rhythmusstörungen. Dazu Klassiker wie Amselfelder Tafelwein. Bis man kotzt. „Mods, Mods, we are Mods.” Wie im Fernsehen. Wie ihre Helden, dachten das arme Männchen und Kumpel Karl. Heute: Was der Karl jetzt macht, weiß keiner. Mancher sagt, er fand in Karlsruhe seinen Frieden. Aber manche sagen viel und viele sagen manches.

Später Lyrik. Der Jim Morrison Gedichtband. Ein Geschenk. Zum 18. Geburtstag von Marion. Gebraucht, aber mit Widmung. Nutze den Tag. Sonst war Marion aber okay. Sie war gerade eben sehr spirituell. Carlos Castenada, alte Indianer, Psycho Pilze in der Wüste und so Sachen. Marion sagte: “Also nach dem Abi Mexiko. Pilze in der Wüste nehmen, Psycho Pilze . (PPPP -Philosophie: Putzen Pillen Psycho Pilze).” Wenn man den Gedichtband von Jim Morrison gelesen hatte, wollte man damals Pilze in der Wüste nehmen. Wenn man dagegen Carlos Castaneda gelesen hatte, wollte man ein Adler sein, über eine Wüste gleiten, auf Psycho Pilzen, drauf. 4P Philosphie. Pforten der Wahrnehmung. So war sie, das kleine, holde Mädchen Marion, die später Petra heißen sollte.

Und sie, die frühe Marion, war mit dem Holger. Er, der Holger, der ein wenig wie Jim Morrison aussah, was daran lag, dass er so aussehen wollte. Lange lockige Mähne, Lederhose, weißes Hemd, nicht ganz zugeknöpft und zwischenzeitlich sehr seltsame Sachen sagen. Ich gehe heute auf eine Reise. Alleine. Dystopische Nacht. Nicht denken, glauben, sagte er z.B. gerne. Wohin wollte er? Warum alleine? Geheimnisvoller, cooler Holger, sagte das arme kleine Männchen und las fleißig Gedichte über Menschen, die sich in Adler verwandeln und über der Wüste Mexikos Pilze knusperten. Das arme Männchen wollte auch so gerne ein cooles, geheimnisvolles armes Männchen sein.

Dann endlich das Abitur in der Tasche. Die Pforten der Wahrnehmung waren endgültig geöffnet worden. Das Männchen war jetzt nur noch drauf. Aber ohne Psycho Pilze und Carlos Castaneda . Die Zeit war vorbei. 4P gestorben. Dunkle Erfahrung, düstere Erkenntnis: Mondmädchen Marion hatte sich in der Wüste Mexikos die Birne zerfräst, also geistig zerfräst Putzen, Pilze, Pillen. Psycho Petra. Sie hatte nach dem Abi ein halbes Jahr in einer Apotheke geputzt, sich in Petra umbenannt und dann mit dem Ersparten nach Mexiko. Gleich ab in die Wüste, Pilze schlucken, Psycho Pilze. Zu Hause dann Pillen vom Arzt gegen das was von den Pilzen übrig blieb. Und es blieb ganz schön was übrig, also hängen, also in der Petra, ehemalige Marion.

Das arme, kleine Männchen spürte: Heute ist anders als gestern. Nach den Achtzigern kamen die Neunziger, eine Wahrheit für man kein erweitertes Bewiußsein braucht.. Und mit den Neunzigern neue Subkulturen, Filme, Helden und natürlich Pillen. Drauf geht auch anders, dachte das Männchen Jetzt gab es Nirwana und Kurt Cobains letzten Tanz. Das Männchen nahm, was man kriegen konnte. Und man konnte eine Menge kriegen…. Aber davon erzählt die Fortsetzung.

Fortsetzung folgt… denke ich.