Sonntag, 3 Uhr, Neumond. Ich wache auf, sitze auf meinem alten Kinderbett und höre Mutter an der Tür kratzen. Junge, lass mich rein, kreischt es hinter der Tür. Ich habe sie mit meinem alten Schreibtisch verbarrikadiert, den Tisch mit einem Stapel „Was ist Was“ Bücher und „Schlümpfe“ Comics beschwert. Aber wie lange wird Holz und Comic dieser Ur-Krafte einer Mama standhalten? Junge, lass mich rein, röchelt es durch das Schlüsselloch. Oh Gott, was ist hier falsch?, denke ich.

Ich wache auf, sitze auf meinem Bett. Nebenan kreischt ein Kind. Es ist die Tochter. Als ich in ihr Zimmer komme, kriecht ein gleichaltriges Mädchen mit langen schwarzen Haaren aus einem Fernseher. Oh Gott, wie das riecht, denke ich. Ich renne raus, weil ich noch nie besonders mutig war und die Kinder vielleicht nur zusammen spielen wollen. Iim Wohnzimmer suche ich die Knipse. Vielleicht kann ich wenigstens aus der Ferne helfen. Ich war immer dagegen einer Vierjährigen einen Fernseher ins Zimmer zu stellen. Jetzt haben wir den Salat. Ich drücke auf „AUS“. 

Ich wache auf. Junge, kreischt wieder Mutter. Sie ist in mein Kinder-Zimmer gekommen, hält in einer Hand eine riesige Schere, in der anderen Teile der kaputten Tür, sie will mir die Strähnchen machen, sagt sie. Strähnchen, gurgelt es aus ihrem Mund. Als ich gerade schreien will, geht der Fernseher an und Richard David Precht spricht durch das Medium mit Mutter. Er sagt, dass Strähnchen keine Lösung sind. Mutter lässt Schere und Tür fallen. Richard, haucht sie, kniend vor dem Fernsehgerät und ihrem Richard. Oh Gott, denke ich und renne zur Häkeldecke, wo ich die Fernbedienung vermute. Ja, da liegt sie. Was bin ich bloß für ein schlauer Fuchs, denke ich und drücke auf „AUS“.

Ich wache auf. Unten im Wohnzimmer will mir ein schwarzhaariges Mädchen im weißen Nachthemd Strähnchen machen. Ich versuche zu schreien. Plötzlich geht ein Fernseher an: Ein Ostfriese beschreibt das entschleunigte Gefühl auf den Inseln, ein Pärchen läuft Händchenhaltend über eine Düne, Möwen und Leuchttürme stehen hier und da herum. Das Mädchen im Nachthemd mit den fettigen Haaren muss sich vor soviel Gefühl übergeben.

Oh Gott, es ist grüne Höllenkotze, schreie ich und wache auf. Mutter beugt sich mit der Schere über mich. Ihre fettigen schwarzen Haare bohren sich in meine Nase. Strähnchen, höre ich in der Ferne Tochter, Höllenmädchen und Mutter lachen. Ich wache auf. Kiffen ist keine Lösung, sagt die Frau. Sie findet Kiffen blöde. Weil man nicht mehr träumt, sagt sie. Nicht träumen? Ach?, sage ich, rauche noch schnell einen, drücke auf „AUS“ und schlafe friedlich ein.