Letztens war ich mit der Tochter in der Innenstadt beim Maxi Sand. Der Maxi Sand ist ein betreuter Sandkasten, den die Stadtverwaltung im Sommer aufschüttet, damit die Kinder in der Innenstadt einen Spielplatz haben. Natürlich findet so ein Platz auch schnell Freunde im Bereich des Gesindels, die hier ihr Altglas, ihre Kippen oder auch mal eine Spritze im Sand entsorgen. Auch das Tierreich – namentlich Lassie, Kommissar Rex und Co – nutzt den Öffentliche Platz gerne für das ein oder andere große Geschäft. Doch eigentlich ist es ein Ort der Freunde, an dem Kinderaugen unter pädagogischer Kontrolle leuchten und lachen, während Mama und Papa ein wenig shoppen gehen.

Meine Tochter ist jetzt drei, da lass ich sie natürlich nicht alleine unter pädagogischer Kontrolle im Maxi Sand spielen, um shoppen zu gehen. So saß ich also neben dem Sandkasten und schaute den Kleinen und Kleinsten dabei zu, wie sie nett miteinander spielten, sich mit Sand und Hundekot bewarfen, dabei lachten und noch nicht an morgen dachten. „Sind sie nicht süß“, sagt eine Vater neben mir und guckte mit verklärten Blick in den Sandkasten. Ich nickte. Eine Wonne, wollte ich gerade sagen, da eroberte ein weiteres Kind den Maxi Sand. Er war ein wenig älter als meine Tochter, wohlgenährt, ja man kann von überernährt, also dick sprechen. Mit einem furchtbaren Schrei sprang er in den Sand und schaffte es mit wenigen Handgriffen, verschiedene Kinder zur Flucht zu animieren. „Mama!“ „Papa, Aua“, hörte ich es aus dem Sandkasten und verschiedene aufsichtführende Personen stürmten in den Sand, um ihre Kinder oder ihre in Obhut genommenen Kinder vor dem Unwesen des Arschlochkinds zu retten. Denn das war es, ein Arschlochkind. Noch bevor ich selber schnell genug reagieren konnte, hatte das Arschlochkind, Otis hieß es, auch noch so ein Hipster Name, meiner Tochter einen roten Schaufelradbagger auf den Kopf gehauen. Gut, es war ein Plastikschaufelradbagger, ein Spielzeug, aber in den richtigen Händen kann auch ein Spielzeug zu einer gefährlichen Waffe werden. Und in Otis Händen war der Schaufelradbagger eine sehr gefährliche Waffe. Wem gehört dieses Arschlochkind, schrie ich also, und rettete meine Tochter aus den Fängen dieser Bestie in Kinderhaut.

Wen nennen sie hier Arschlochkind?, rief der Vater neben mir und plusterte sich in seiner Jack Wolfsskin Jacke auf. Gerade noch Tränen der Rührung in den Augen, waren seine Tränen nun der Wut gewichen. Der Wut eines Vaters dessen Sohn beleidigt wurde. Mein Otis ist ein liebesvolles, gesundes, hochsensibles, hyperintelligentes Kind. Wenn ihr Kind sich nicht mit Worten wehren kann, gleich nach dem Vater rufen muss, kann mein Otis doch nichts dafür, verteidigte Otis Papa Otis. Es ist nicht mein Otis bei dem was nicht stimmt, es ist die Nachbarschaft, die Gegend, die Stadt, das Land, die Schulen und der Staat, der meinen Otis zu so einem Raufbold machte, brüllte der Papa von Sinnen. Ja, ich sah Schaum vor seinem Mund. Und da ich darauf nichts zu antworten wusste, kam es, wie es kommen musste., Wenige Sekunden später prügelte sich zwei Männer im Maxi Sand, zogen sich an den Haaren und bewarfen sich mit Schäufelchen und Eimerchen. Eine Prügelei, ja Rauferei war im Gange, die sogar dem Gesindel, das in einer Ecke des Sandkastens ungesehen Drogen konsumierte, zu viel war und sie aus dem Sandkasten vertrieb. Das Tierreich vergaß ihr Geschäft und Prinzessin Lillifee und ihre Freunde jammerten lautstark am Rand des Maxi Sands.

Heute, eine Woche später, die Wunden sind fast verheilt, lese ich in der Zeitung das Chemnitz sich als Kulturhauptstadt bewerben will und muss an Otis und seinen Papa denken.

In einem Interview sagt ein Stadtoberer, dass es nicht die Chemnitzer sind, nicht sie Sachsen, nicht die Ostdeutschen oder Deutschen insgesamt, die den rechten Zorn in sich tragen. Das Problem ist keine regionales, Man muss weiter schauen. Der Hass ist überall, sagt der Herr der Stadtverwaltung. Auch Otis Papa wusste, dass sein Arschlochkind ein Produkt der Zeit ist. Otis ist das, was die neoliberale Gesellschaft aus ihm gemacht hat.

Ich denke: Otis Papa ist in Penner und der Typ von Stadtverwaltung Chemnitz ein Idiot. Natürlich gibt es auch wo anders Idioten und Penner und vielleicht gehöre ich sogar dazu, bin einer von ihnen. Gut, aber ich will auch nicht Klassensprecher werden. Erkenne dich selbst. Ein blöder Spruch. Das stimmt. Aber wenn Otis später Klassensprecher werden möchte oder wenn morgen Chemnitz Kulturhauptstadt werden will, dann sag ich nur: Ne, erkenne ich dich selbst und ich bin dagegen.