Wer einen abwechslungsreichen, spannenden Urlaub sucht, Tage, die man nie vergießt, sollte die Finger von Ostfriesland lassen. „Viel Platz zwischen dem Nichts“, das ist Ostfriesland. Zwischen Emden im Westen und Jever im Osten wird Langeweile als Technik der Entspannung verkauft. Die Entdeckung des Nichts als Wellness – Methode für die Zielgruppe Ü60.
24. Januar. Braunschweig. Auf Reisen esse ich gerne. Reisen macht hungrig und neugierig wie es in der Fremde schmeckt, auch wenn die Fremde oft bei mir nur die Nachbarstadt ist. Am Bahnhof Osnabrück ein Würstchen im Brötchen, in der Innenstadt Dortmunds den Chinaimbiss, gerne auch regionale Köstlichkeiten wie Nürnberger Würstchen in Nürnberg, Fischbrötchen in Bremen oder eben Döner. Döner in München, Döner in Berlin, Döner in Lüneburg. Döner überall. Döner global. Döner im Brot, Döner mit scharfer Soße, Döner mit Kräutersoße, Döner ohne alles, Döner spezial.
Gestern Abend waren wir nach dem Auftritt im Kebab Haus gegenüber vom Braunschweiger Schloss. Ich bestellte nach reiflicher Überlegung einen Dürüm Döner, also Dönerfleisch im eingerollten Brot. Meistens bestelle ich Dürum Döner, weil man den essen kann, ohne das die Hälfte rausfliegt.
Jedenfalls habe ich selten so eine versüffte Bude wie das Kebab Haus gesehen. Die Tische waren rutschig vom Fett, die Klos sahen so aus, als ob eine Schulklasse Durchfall gehabt hätte, der Boden lag voller Müll. Und das Essen? Das Essen war nicht gut, aber üppig. Das muss man ihnen lassen, groß waren die Portionen. Und während des Essens hatte ich einen astreinen Blick auf das schmucke Herrenklo, da die Tür nicht zum Klo richtig schloss. Beim Bezahlen fragte mich nachher einer der Dönermänner, ob es mir geschmeckt habe. Ich habe nicht drauf geantwortet. Aber es war wohl auch nur eine Floskel von ihm. Während er mich fragte, guckte er schon den nächsten Gast an und nahm die Bestellung auf.
Tatsächlich verstehe ich nicht, wie solche Läden an den städtischen Kontrollen vorbei schlittern können. Wäre ich in dieser Stadt Bürgermeister, Oberbürgermeister, wüsste ich, was ich als erstes machen würde. „Liebe Bürger, das Kebab Haus wird auf der Stelle geschlossen, bis die Jungs ihren Dreck unter Kontrolle haben“, würde ich als Bürgermeister zu meinen Untertanen sagen. Und das Volk? Das Volk würden mir danken.
Münster. 12. Dezember, 9 Uhr. Drüben guckt der Nachbar Hans Wurst schon wieder Fernsehen. Die Zeitung berichtet: „Arm, aber sexy“ - Ära vorbei und nackter Motorradfahrer enttarnt. Das Wetter? Erbärmlich. Die Deutschen leben immer gesünder, was sicher auch mit den unsicheren Renten und der schlechten Krankenversicherung für Kassenpatienten zu tun hat. Insgesamt herrscht Angst, die in der Weihnachtszeit durch Konsum weggemacht wird. Nicht ohne Grund ist heute Moonlight Shopping in Münster. Bis 22 Uhr sind die Geschäfte in der Innenstadt geöffnet, damit der verängstigte Bürger sich ablenken kann. Die Voraussetzungen für einen wunderschönen Tag sind also gegeben.
Münster, 11. Dezember. Hans Wurst von gegenüber schaut wieder Fernsehen. Hans Wurst schaut immer Fernsehen. Morgen, mittags, abends, nachts, der Fernseher brennt immer. Ich weiß nicht, was er schaut. Das sieht man von meiner Wohnung nicht. Aber er schaut immer. Und sicher schaut der nur Dreck, weil Menschen, wo immer der Fernseher läuft, sind dumm. Wie auch Menschen, die 1,5 Liter Flaschen Coca Cola trinken und Chips aus Waschmitteltonnen essen, dumm sind. Hans Wurst trinkt sicher sehr viel Coca Cola und frisst Chips aus Waschmitteltonnen oder einfach nur Fleisch. Billiges Fleisch, von billigen Mastschweinen aus einer der industriellen Massentierhaltung. Aber für Hans Wurst ist Grillen das Größte. Und Fußball. Und Weiber. Hans Wurst geht aber nur selten raus, weil draußen ist es zu gefährlich. Lieber schaut er fern. Da sieht er schon genug von der Welt. Ich weiß nicht genau, ob Hans Wurst wirklich dauernd grillt und Coca Cola trinkt, aber der Fernseher läuft immer. Und solche Menschen kennt man doch.
Vor den Türen tobte ein Höllenwetter, der Wind heulte in den Bäumen, die Äste schlugen gegen das Haus. Nur ein Gauner, der sich da jetzt draußen herumtreibt, dachte der Kapitän und grinste in seine Pulle Schnaps. Der Kapitän hatte heute Landgang und war bei der Schönen Frau. Mit seiner Pulle lag er in ihrer Wanne und ließ es sich gutgehen. Morgen musste er wieder weiter. Seine Fahrt ging in das Land der Luxis. Bei dem Gedanken an die Reise legte sich die Stirn des Kapitäns in Falten und sein Nackenhaar kräuselte sich. Wer waren diese geheimnisvollen Luxis? Der Kapitän wusste es nicht. In seinem Kapitäns - Buch hatte er wenig gefunden. Ein alter Seeweg wurde dort beschrieben. Am Ende des Weges gab es ein Volk mit König, las er in dem Buch. Viele Gauner und Piraten sollen sich dort rumtreiben, murmelt er in seine Flasche. Die paar Zeilen, die das Buch den Luxis widmete, klangen beunruhigend. Doch eigentlich wusste niemand wirklich etwas über das Volk. Die Wenigen, die zu den Luxis hinfuhren und wiederkamen, wollten nicht viel berichten. Aus Angst oder Scham, fragte sich der Kapitän und rieb sich sein Ohrläppchen, was er immer tat, wenn er nachdachte. Oder wegen der großen Reichtümer, die einem in dem Land erwarteten? Das tuschelte man auf den Straßen. Der Kapitän nahm einen tiefen Schluck aus seiner Schnapsflasche. Große Reichtümer hatten den Kapitän schon immer wie das Licht die Motten angezogen. Morgen würde er mehr wissen, dachte der Kapitän, aber heute war er bei der Schönen Frau. Sie würden zusammen „Das Traumschiff“ schauen und vielleicht vor dem Schlafen gehen noch eine Partie „Mensch ärger dich nicht“ spielen. Schon seit seiner Kindheit spielte er gerne dieses Brettspiel, es zeigte ihm, worauf es im Leben ankam. Man durfte sich nicht zu sehr ärgern.
Freitag, 10 Uhr , Berlin Alexanderplatz. „Ach, wo ist der Frühling hin“, denke ich und gehe zu dem Bratwurststand vor dem S-Bahn Eingang. 1,35 € kostet hier die Bratwurst im Brötchen, ein Schnäppchen, aber das schmeckt man auch. Immerhin haut man die Wurst nicht auf ein Stück Pappe und bietet weißes Toastbrot. Das ist aber auch der einzige Lichtblick an dem Stand.
In Köln zum Beispiel gibt es einen festen Stand im Bahnhof, wo man Wurstpappe und Toastbrot aus dem Eimer bekommt. Keine schöne Geschichte, das sage ich Ihnen. Aber die Wurst ist in Ordnung, und sie bieten noch neben der Bratwurst, Brüh- und Mettwürstchen an, aber eben auf Wurstpappe.
In Münster am Haupteingang vom Bahnhof machen sie eigentlich alles richtig. Aber heute morgen war die Wurst alt und das Brötchen pappig. Nächste Mal werde ich mir die Ware vorher zeigen lassen. Ich werde sagen: „Guten Tag, Andreas Weber mein Name, ich würde gerne mal meinen Finger in ihr Brötchen stecken, ich möchte wissen, ob die frisch sind.“ Da wird man sicher begeistert von sein. „Klar, stecken sie doch auch noch mal in die anderen Brötchen einen Finger. Oder möchten sie sich gerne mal an unseren Pommes reiben, unsere Kartoffelscheiben lieben es.“
In Dortmund gibt’s am Bratwurststand auch Fischbrötchen. Die Bratwürstchen werden bei diesem Gourmettempel schon vorgebraten und frisch aus der Mikrowelle mit einem kalten Aufbackbrötchen serviert. Die Fischbrötchen sehen auch schon älter aus. Die wenigsten Reisenden bleiben hier für eine Wurst stehen. Vielleicht nach einem Fußballspiel? Mit besoffenen Kopf frisst man ja alles. Fast alles. Sicher auch diese 1,35€ Würstchen am Alexanderplatz. Mir ist auf jeden Fall schlecht von dem Teil, und ich rate Ihnen bleiben sie solchen Nepper, Schlepper, Bauernfänger Angeboten fern. Ich kann ihn da andere Sachen erzählen, da würde sich ihre Urgroßmutter im Grab herum drehen und HErües bekommen, solche schlimmen Sachen sind das. Ich erzähle jetzt aber nichts mehr. Ein anderes Mal vielleicht.
(10.3)Gestern waren wir mit den Nachbarn auf einen Bauernhof. Ein netter Sonntagsausflug mit dem Fahrrad. das ist doch schön, sagten alle. Auf dem Hof gab es ein Café, wo es sogar noch Kännchen gab und in einem Tante Emma Laden konnte man direkt Eier und Kartoffeln einkaufen. Höhepunkt waren aber die Hof-Tiere. Auf dem Hof konnte man verschiedene Tiere, die auf so einem Bauernhof leben, angucken, unter anderem ein Riesenkaninchen. Was kaum jemand weiß und mir auch fremd war, Riesenkaninchen sind mit den Seekühen verwandt. Vor sehr langer Zeit haben sie allerdings das Meer verlassen und ihr Zuhause auf den grünen Auen gesucht. Genauso wie die Seekuh sind sie nicht in der Lage sich an Land fortzubewegen. Leider können sie aber auch nicht wie die Seekuh schwimmen, was für das Riesenkaninchen einen nicht zu unterschätzenden Nachteil in der freien Natur darstellt. Darwin sprach hier von einer angeborenen Opferrolle. Auch mit der Seekuh und dem Riesenkaninichen ist der Bassit verwandt. Viele Menschen glauben, dass der Bassit ein Hund sei, das ist aber falsch. Der Bassit zählt zu der Familie der Riesenkaninchen. Erst durch harte Züchtigung zur Römerzeit wurde aus dem Riesenkaninchen der hundeähnliche Bassit. Riesenkannichen und Bassit können, so las ich später, nur mit Hilfe anderer Säugetiere – in den meisten Fäller Menschen – überleben. Ein mitleidiger Blick und ein etwas töpelhaftiges Aussehen wird für viele Säuger als Schlüsselreiz empfunden, Seekuh, Bassit und Riesenkaninchen mit Möhrchen und ähnlichem zu füttern.
(5.2) In der Tageszeitung hab ich gelesen, dass Brokkoli insgesamt super ist. Da kannst du den Krebs mit besiegen und kriegst schöne Haut. Ich hab das wirklich versucht mit der ganzen Gesundheit und dem vielem Gemüse und regelmäßig Essen. Fünf gesunde Mahlzeiten. Rituale schaffen, sagt man. Das hilft. Bin sogar morgens joggen gegangen, für den Rücken ins Studio. Hab mir die ein oder andere Zigarette verkniffen, weniger getrunken. Brokkoli Freunde. Brokkoli. Ne, wirklich super, sollte man machen. Das macht eine schöne Haut und fit im Kopf. Und ich? Ich hab Pickel und den Geburtstag von Mutter vergessen. Kriege ich wohl auch nicht mehr weg, die Pickel. Aber an den Geburtstag denke ich nächstes Jahr. Ach Nscho- Tschi, mit dir fing die ganze Sauerei doch erst an.
Ein Freund sagte, eine Winkekatze führt zu Wohlstand, also Reichtum. Das ist so ein Chinesending, sagte er. Der Chinese setzt sich eine Winkekatze in das Schaufenster seines Ladens und dann kommen die Kunden. Die Katze winkt die Kunden herbei. Natürlich ist das Aberglaube, aber es kann nicht schaden. Ich hab mir auf jeden Fall drei Winkekatzen gekauft, um ganz sicher zu gehen. 

Herr Weber jammert über die Welt
4.8.2014 // „Wir nehmen großen Anteil am Schicksal der Münsteraner,“ sagt Zoodirektor Adler heute in der lokalen Tageszeitung und bietet allen Unwettergeschädigten einen Zoobesuch zum ermäßigten Preis von zehn Euro an. Man sagt einfach an der Zookasse, dass man unwettergeschädigt ist und schon kann man, um die Nöte zu vergessen, für ein paar Stunden Elefanten und Bären gucken. Denn wisse: Ein Elefant macht noch keinen trockenen Keller, aber er heitert das Gemüt auf. Gäbe es doch mehr Menschen wie Herrn Adler.
Apropros Waterboarding. Wir haben einige Leute gefoltert, erklärte gestern Obama vor der Presse. Neben ins Wasser döppen, wurde auch das laute Abspielen von Heavy Metall Musik als verbesserte Verhörmethode eingesetzt. Das ist natürlich der Knaller. Abgesehen von Menschen wie meinen geschätzten Lesebühnenkollegen Micha El Goehre, der sich auch gerne mal in den Keller setzt, um sich selber eine „verbesserte Verhörmethode“ zu verpassen, können wir nur wir nur weinen, wenn wir so was hören.
Zoodirektor Adler nimmt sicher auch großen Anteil am Schicksal dieser Opfer. Aber man muss vor der eigenen Haustür den Dreck wegmachen, ermässigten Eintritt gibt es nur unter dem Stichwort „Unwetter“ und natürlich für Kinder unter vierzehn Jahren. Micha El Goehre könnte aber sein Buch „Höllenglöcken“ für einen schmaleren Kurs an alle Verhörgeschädigten abgeben. Unter dem Stichwort „Metal - Frosch“ würde ich einen Rabatt von fünfzehn Prozent als angebracht empfinden.
Denn wisse: Höllenglöcken kann man nicht essen, aber es ist ein unterhaltsames Gut.
Aber unser Schreib- Bienchen ist leider nicht so ein Fuchs wie der Adler und so gibt es heute nur Bären und Elefanten und keine Metal - Frösche zum halben Preis.
Über Lustmolche

Der Molch auf der Treppe
„Guck mal, Herr Weber, ist das ein Lustmolch?“, fragte mich letztens eine Freundin und zeigte auf das schöne Exemplar, das ein paar Meter weiter auf einer Treppe lag. Wir waren im Urlaub, ein paar Tage an der Küste Ostfrieslands, als wir auf das Tier stießen. „Ja, es ist wieder soweit“, sagte ich. „Ende April, Anfang Mai beginnt es wieder. Die Schwanzlurche, die wir in Molch und Salamander unterteilen, ziehen wieder Richtung Gewässer zum Werben, zur Fortpflanzung und Eiablage. Unter ihnen ist der Teichmolch sicherlich der Bekannteste“, erklärte ich der Freundin. Sie nickte, vom Teichmolch hatte sie schon mal gehört. „Der Größte unter ihnen ist aber der Lustmolch. Er kann eine Körpergröße von über zwei Meter erreichen und es wurden schon Exemplare gesichtet, die über hundertzwanzig Kilo wogen. In Amerika soll es sogar einen Prachtburschen gegeben haben, der über zweihundert Kilo auf die Waage brachte.“ „Echt? Das ist aber fett“, sagte sie und kicherte über die Vorstellung an den schweren Lustmolch. „Echt“, sagte ich und wir näherten uns dem prächtigen Exemplar auf ein paar Meter, damit wir es besser beobachten konnten.
„Aber Obacht, meine Liebe! Größe und Gewicht führen nicht selten dazu, dass wir den Lustmolch als Bedrohung empfinden. Hinzu kommt noch, dass der Lustmolch kaum natürliche Feinde hat. Anders als seine Artgenossen, Berg- und Teichmolch, muss er sich nicht vor Vögeln fürchten.
Und so beginnt jetzt die Zeit, wo es an den Seen und Stränden nur so von Lustmolchen wimmelt.“ Die gute Freundin erschauderte bei der Vorstellung der zahlreichen Lustmolche am Strand. „Keine Angst. Mit ein wenig Verständnis kannst du den Lustmolch gut erkennen. Wie alle Molche legt auch der Lustmolch in Gewässernähe seine Landtracht ab und beginnt sein Werben. Dank der Wissenschaft wurde sein Werben gut beschrieben. Der Lustmolch tänzelt durch das flache Wasser, präsentiert sich dem Weibchen“, erklärte ich ihr. „Hat er die Aufmerksamkeit eines Weibchens erst einmal erregt, nähert er sich ihr und präsentiert sein Gemächt in voller Größe. Auch - und das ist einzigartig unter den Schwanzlurchen - versucht er das Weibchen durch kleine Geschenke, nicht selten berauschende Beeren von seinen Qualitäten zu überzeugen. Im Gegensatz zu dem Teichmolch, der durch peitschenartiges Wedeln seines Schwanzes Sexual-Duftstoffe absetzt, versucht der Lustmolch durch diese kleinen berauschenden Mitbringsel das Weibchen zu betören.“

Zwei Molchweibchen kurz vor der Eiablage
Die Freundin grinste. „Fast wie beim Menschen“, sagte sie und ging noch einen Schritt näher Richtung Lustmolch. „Ja allerdings“, bestätigte ich und plauderte weiter aus meinem zoologischen Nähkästchen. „Nicht selten kommt es vor, dass ein Lustmolch sich an echte Urlauberinnen heran macht. Viele haben hier schon böse Überraschungen erlebt.“ Die Freundin guckte angeekelt. "Das ist ja widerlich", sagte sie und war trotzdem so fasziniert, dass sie sich dem Lustmolch noch einen Schritt näherte.
„Ja, ja. Geh da mal nicht zu nahe ran“, warnte ich und hielt sie fest, damit sie sich nicht in Gefahr begab. „Wenn das Weibchen jedenfalls auf das Werben des Lustmolchs eingeht, wedelt der Lustmolch wellenartig mit seinen Schwanz und sucht die Berührung mit dem Weibchen und ihrer Kloake. Hierbei kommt es dann zur Ausschüttung eines Samenpakets, das das Weibchen in ihre Kloake aufnimmt.“
„Kloake, das ist ja widerlich“, unterbrach die gute Freundin meine Ausführungen. Ich lächelte über ihre Unwissenheit. „Wir Menschen verstehen etwas anderes unter Kloake als die Schwanzlurche im Allgemeinen und der Lustmolch im Besonderen,“ beruhigte ich sie. „Trotzdem ist die biologische Nähe des Lustmolchs zum Menschen bemerkenswert, so dass mancher Molchkundige auch schon die Evolutionsgeschichte umschreiben wollten. In Russland haben sie sogar versucht, einen Lustmolch mit einem Menschen zu kreuzen. Das Ergebnis möchtest du nicht wissen.“
„Ne, möchte ich wirklich nicht“, sagte sie und lachte bei der Vorstellung. „Halb Molch halb Mensch, das will ich wirklich nicht sehen“, meinte sie. Plötzlich drehte sich der Lustmolch ein wenig um und schaute die Freundin neugierig an. Wir erschraken und sprangen einen Schritt zurück. Als wir uns vom ersten Schrecken beruhigt hatten, meinte sie, dass er aber ganz bezaubernde Augen hätte. Ich nickte. „Schöne Augen machen, das können sie“, flüsterte ich nachdenklich. "Komm, wir gehen lieber", sagte ich und zog die Freundin weg. Ich wollte uns und vor allem sie nicht unnötig in Gefahr bringen.
Das meine Befürchtungen nicht ganz unbegründet waren, zeigte sich am Abend. Wir saßen im Hotel an der Bar und hier gab es nur ein Thema. Das verschwinden einer älteren Dame aus Wipperfürth, die mit ihrem Stammtisch Urlaub an der Küste machte. Nachmittags war sie alleine zum Strand gegangen und nicht wieder aufgetaucht. Ein Hotelgast meinte, er hätte sie noch am Strand von Weitem gesehen. Ein fremder Mann tänzelte komisch um sie herum. Meine Begleitung und ich guckten uns vielsagend an. Leise flüsterte ich ein paar Zeilen des alten Goethe:
"sind das molche im gesträuche?
lange beine, dicke bäuche!"
Wie auch immer: Es schien, als ob wieder einmal eine einfache Urlauberin auf das Werben des Riesenmolches, dieses faszinierenden Schwanzlurches, hereingefallen war. Jetzt konnte man nur noch hoffen und beten.
Ost - Ochsentour
Freitag, 15 Uhr. Luftkurort Bad Oeynhausen. Mit meinem vielbesprochenem Werk "Herr Weber auf Safari" bin ich auf Lesetour. Ich fahre mit meinem Auto die A30 entlang und durchquere den Luftkurort Bad Oeynhausen. Die Stadt wirkt auf den Betrachter wie eine Kulisse aus einem Arthouse Film, also so einem sehr düsteren, langweiligen Arthouse Film. Alles ist grau, verrottet und alt. An der A30, die mitten durch den Ort führt, haben Spielhallen, Orion-Videokabinen, Tankstellen, Import-Export Firmen und Gebrauchtwarenhändler ihr zu Hause. Gerüchte behaupten, dass man durch stetige Medikamentenzugabe ins Trinkwasser ihren Bewohner glauben machen will, dass sie in der schönsten aller Städte wohnen. Das ist gelogen. Niemand bei Verstand wird Bad Oeynhausen als eine schöne Stadt erklären. Weitere Gerüchte behaupten, dass die Gesundheitskassen die Alten und Kranken, für die sie nicht mehr weiter die Behandlungskosten tragen wollen, nach Bad Oeynhausen zur letzten Kur schicken. Hier ist Endstation. Ich denke, dass ist auch gelogen, aber ich sehe trotzdem zu, dass ich schnell aus dem Loch rauskomme.
Freitag, 23 Uhr, im Osten. Bei Samuel ist es immer nett. Samuel ist Veranstalter im Osten und hat mir ein paar Lesungen besorgt. Ich hab ein Buch geschrieben, „Herr Weber auf Safari“ heißt es und ich bin damit auf Tour. Jedenfalls ist das so ein Freundschaftsding mit den Lesungen, weil reich wird er damit sicher nicht. Ich bin gerne bei Samuel. Wir reden viel gutes Zeugs, rauchen gutes Zeugs und oft wird es sehr spät. Den frühen Vogel sehen wir meistens noch, bevor wir die guten Gespräche abbrechen. Gerade hat mir Samuel erzählt, dass er Jude ist. Mir fällt auf, dass Samuel der einzige Jude ist, den ich persönlich kenne. Ich frage mich, ob er beschnitten ist. Ich glaube, daran kann man einen Juden erkennen. Allerdings kenne ich auch viele, die sich wegen der Hygiene beschneiden ließen. Manche sagen auch, der Sex sei besser. Man spürt mehr, erklären sie stolz.
Vielleicht kenne ich neben Samuel auch noch mehr Juden und weiß es einfach nicht. Kannst den Leuten ja auch nicht in die Hose schauen. Möchte ich auch gar nicht. Es ist mir eigentlich auch völlig egal, ob jemand Jude ist.
Ich laufe ja auch nicht durch die Gegend und erzähle jedem, dass ich Römisch-Katholisch bin. „Guten Tag, Weber mein Name. Ich bin Römisch-Katholisch und nicht beschnitten. Die Hygiene stimmt aber trotzdem.“ So was erzähle ich nicht und ich will auch von keinem anderem solche Geschichten hören.
Samstag, 20 Uhr, Dessau. Die Menschen sind hier alle sehr traurig. Das liegt an ihrer hässlichen Stadt. Die Kinder wissen natürlich noch nicht, dass es andere Städte gibt, die nicht so hässlich sind, aber auch sie ahnen schon, dass mit ihrer Stadt irgendwas nicht stimmt.
Die Straßen sind voll von Menschen, die dem Alkohol frönen, Gewalt gegen Tiere ist an der Tagesordnung, aber die Einwohner lassen ihre Wut auch an toten Gegenständen aus. So habe ich erst gerade einen Mann beobachtet, der immer wieder und wieder seinen Kopf gegen ein Steinwand schlug. Es war wirklich sehr herzzerreißend.
Die Dessauer sind sehr stolz auf ihr Bauhausmuseum. Sie müssen mal unser Bauhausmuseum besuchen, sagen sie. Da ich niemanden verletzen möchte - ich bin Gast in dieser Stadt - sage ich nicht, dass ich Bauhaus scheiße finde.
Ich lese in der einzigen Gastwirtschaft in der Stadt. Sie heißt „Zum treuen Ochs“ und ist Treffpunkt für jung und alt. Ich habe vier Gäste: Eine fünfzehnjährige Mutter, ihre zwei Kinder und eine alte Frau, welche die ganze Zeit nach ihrem Eberhart schreit, der sie im Krieg verlassen hat.
Wir trinken Selbstgebrannten, weil es hier nichts anderes gibt und ich lese aus meinem Buch „Herr Weber auf Safari“. Nach fünfzehn Minuten breche ich mein Programm ab, da alle weinen sind und ich den Schmerz nicht länger ertragen kann.
Sonntag, 20 Uhr, in der Heimat von Otto dem Großen. Am Abend lese ich in Magdeburg aus meiner Bibel „Herr Weber auf Safari. Der Jude Samuel sagt, wenn ich nach Magdeburg komme, soll ich bloss ihren Stadtnamen richtig aussprechen. Die Magdeburger sind sehr sensibel, erklärt er mir. Traurig, denke ich und beschließe, vor der Lesung im Supermarkt Bananen einzukaufen und sie an das arme Stadtvolk zu verteilen. Samuel meint, dass das sicher eine gute Idee sei.
Während meiner Lesung tuscheln zwei Frauen miteinander. Die Eine meint, dass meine Texte ekelig sind. Der redet ja nur über seinen Penis, sagt sie und schüttelt verständnislos den Kopf. Die Andere ist nicht so ignorant, auf jeden Fall lächelt sie die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd zu mir rüber und rutscht interessiert auf ihrem Stuhl herum. Ich beschließe, ihr in der Pause eine Banane zu schenken und ihr eine Brieffreundschaft mit dem Autor des Buches „Herr Weber auf Safari“ in Aussicht zu stellen.
Zwei Stunden später stelle ich fest, dass die Bananenidee nicht so gut war. Überstürzt muss ich die Stadt verlassen. Der Magdeburger an sich ist undankbar und böse, denke ich und fahre an dem Ortschild „Magdeburg – Stadt Otto des Großen“ vorbei. Wenn es wenigstens Karl der Große wäre, aber Otto der Große. Niemand interessiert sich für diesen Otto. Sogar ich, Dichter und Denker, Verfasser des Meilensteins „Herr Weber auf Safari“ kann kein Gefallen an diesem Otto finden. Ach, Magdeburg, du traurig Alte.
Sonntag, zwei Uhr nachts. Auf dem Rasthof Lehrte-See treiben sich Huren rum. Vor dem Sanifair Häuschen warten schon die LKW Fahrer und gucken ungeduldig auf die Uhr.
Eine Frau im kurzen Schwarzen, fragt mich, ob ich auch mal ran möchte. Aber ich möchte nicht ran, ich winke hektisch ab. „Ne, ne“, sag ich verlegen. „Nur eine kurze Rast.“ Die Frau berlinert hemmungslos, das ist nicht sehr erotisch. Arme Hauptstadt, denke ich und schaue hinter ihr her. Seine Frauen müssen nachts bis nach Lehrte-See, um zu arbeiten. Das ist alles sehr traurig. In Bonn war damals alles besser. Früher war sowieso alles besser, denke ich und gehe nachdenklich zu meinem Auto zurück. Ach früher...
Bevor ich weiterfahre mache ich noch ein paar Kniebeugen und Dehnübungen. Ein wenig Sport ist sehr wichtig, wenn man die ganze Nacht hinterm Steuer sitzt. In meinem AOK Gesundheitsmagazin sagen sie, dass man dadurch auch verhindern kann, Rücken zu bekommen. Wer mal Rücken hatte, weiß von den Schmerzen. Das sind Schmerzen, die man nicht seinem schlimmsten Feind wünscht. Ich übertreibe. Den schlimmsten Feinden wünscht man schon Rücken, denen wünscht man sogar die Pest an den Hals oder einen Wespenstich auf der Eichel.
Wieder auf der Autobahn überlege ich, ob ich doch noch mal umdrehen soll. Wegen den Berliner Frauen, meine ich. Glücklicherweise ist das Umdrehen, das Wenden auf Autobahnen nicht so einfach. Wer das mal versucht hat, weiß was ich meine.
Ich schäme mich noch ein paar Meter für meine Gedanken an die Berliner Damen, dann hab ich sie aber auch schon wieder vergessen.
Obacht! Wurstpappe versus Wurst im Brötchen
Mittwoch, 14 Uhr. Münster. Die Sonne strahlt und ich mit ihr. „Eine Bratwurst im Brötchen bitte“, sage ich zur Meisterin, zur Dame vom Grill und gucke gespannt auf ihr Rost, welches ihrer Würstchen für mich bestimmt ist. Ich stehe vor dem Bahnhof, warte auf meinen Zug und nutze die Zeit, ne Bratwurst zu essen. Das mache ich fast immer so, „Bratwurst essen“ ist für mich ein wichtiger Bestandteil auf Bahnreisen. Was für andere der Hot Dog bei IKEA , das Pils beim Fußball, ist für mich die Bratwurst auf Bahnhöfen. „Senf oder Ketchup“, fragt die Chefin hinterm Grill. „Senf, meine Liebe. Natürlich Senf“, sage ich und beiße ein paar Sekunden später in meine heiße Wurst, eine leicht gebogene, von beiden Seiten konstant gegrillte Wurst. 2,60 € in Münster. Ein stolzer Preis, aber eine gute Wurst hat eben ihren Preis.
Fast in jeder größeren Stadt gibt es am Bahnhof einen Wurststand. Mal wird nur im Ein-Mann Betrieb die Bratwurst angeboten, mal gibt’s noch Brühwurst, Mettwurst oder sogar Krakauer. Alles lecker. Kann man alles machen.
Aber Obacht! Ein guter Bratwurststand sollte aber auf jeden Fall das Bratwürstchen im Brötchen anbieten. Sollte der Stand diese Grundregel nicht erfüllen, rate ich, zum Weitergehen. Nur das Würstchen im Brötchen erlaubt es dem Reisenden, die Bratwurst zu essen und gleichzeitig sein Gleis zu suchen oder eine Fahrkarte zu kaufen. Eine Bratwurst auf Pappe, vielleicht noch mit einer ungetoasteten Scheibe Toast und einem viel zu großen Haufen Senf, schränkt die Mobilität sofort ein. Da müssen sie sich gleich einen Rastplatz suchen, wo sie ihre Wurst in Ruhe verzehren können und wehe dem, der das nicht macht.
In Köln am Bahnhof zum Beispiel wird die Wurst auf ein Stück Pappe angeboten. Ich will nicht schlecht über die Wurst reden, auch wenn ich bessere, sehr viel bessere, kenne. Als ich letztens jedenfalls eine Wurst an diesem Stand aß, musste ich plötzlich, da ich beim Wurstverzehr die Zeit aus den Augen verloren hatte, schnell zum Gleis, und sie können sich denken, lieber Leser, was passierte. Während ich mit Sack und Pack, Würstchen, Pappe mit Senf und Toastbrot durch die Empfangshalle lief, verabschiedete sich ein Klecks Senf von der Wurstpappe und folgte der Schwerkraft, landete aber in dem rechten Auge eines kleinen Rauhaardackels. Dieser fing sofort an, zu jaulen, riss sich von seinem Frauchen los und sprang halb blind und orientierungslos in das Gleisbett, was zu einer Notbremsung des ICEs Konrad Adenauer führte, der folgend die durch die Bremsung verursachte Verspätung nicht mehr ausgleichen konnte und bundesweit das gesamte DB Netz mitriss und Verspätungen produzierte, die historisch zu nennen sind. Auch wenn wir gemeinsam den Dackel retten konnten, also wenigstens niemand körperlich zu Schaden kam, waren die Folgen der Wurstpappe und des Senfes grauenhaft. Also Obacht: Brötchen statt Wurstpappe, Freunde.
Über Penner und Herrn Martenstein
(15.2) Ich kaufe mir nicht oft DIE ZEIT. Ist mir einfach zu dick.
Wenn ich sie mir kaufe, dann häufig auf langen Zugfahrten. Man kann sich sehr gut mit ihr zudecken oder sich ein Zelt bauen. Natürlich schmöckere ich auch ein wenig in dem Blatt und das Magazin blättere ich sogar ganz durch und somit stoße ich auch oft auf die Kolumne von Harald Martenstein.
Ich sage es gleich, ich halte Harald Martenstein für ein Arschloch. Ich entschuldige mich dafür,
weil ich den feinen Herren nicht kenne und er vielleicht nur durch seine Schreibe als Arschloch rüberkommt.
Aber ich kann nichts dafür. Wenn ich an den Kolumnisten denke, kommt mir als erstes das Wort Arschloch in den Sinn.
Nun ja, jedenfalls hab ich mir diese Woche auch mal wieder die ZEIT (13.2 Nr.8) geholt.
Bahnfahrt Münster – Nürnberg, da kann man so etwas gut mit dem ganzen Papier füllen.
Dieses Mal schreibt Martenstein über den Versuch eine BC 100 zu erwerben,
was nicht klappt und sogar in einem Eklat mit der DB endet. Und wieder einmal stellt man sich nach der Lektüre der Martensteinschen Welt Fragen. "Was will mir dieser Kolumnist der Küsschen, Küsschen Gesellschaft überhaupt sagen?"
"Möchte er uns mitteilen, dass er sich eine BC 100 leisten kann?" "Vielleicht fragt er auch nach dem kleinen Mann?"
Wenn sogar eine so wichtige intellektuelle Größe der Bundesrepublik Deutschland
wie Herr Martenstein an der Prinzip Deutsche Bahn scheitert, was geschieht dann erst mit dem Kleinen Mann.
Der Kleine Mann kann sich natürlich keine BC 100 leisten,
aber vielleicht geht es bei ihm um ein Sparticket oder das neue LIDL Angebot „Ganz Deutschland für 49 Euro“.
Wie soll der Kleine Mann denn hier an seine Infos und das Ticket kommen, wenn Herr Martenstein schon daran scheitert.
Ich weiß es nicht. Der Lustschreiber der Chai - Latte Fraktion schreibt am Ende,
dass der telefonische Kundenservice der DB ihn als Arschloch beschimpft hat.
Das ist natürlich wirklich gemein und fies. Worüber sich der gute Herr auch beschwert, was immer er uns mitteilen will, Arschloch sagt man nicht. Darüber kann man sich ruhig mal auskotzen.
Die beiden Damen
Am Aasee stürzte letztens ein Mann auf den Treppen. Zwei Damen, die ein paar Meter weiter eine Bratwurst aßen, kommentierten das Geschehen.
"Autsch, hast du das gesehen? Der Mann hat sich sicher sehr weh getan."
"Hä?"
"Der Mann ist die Treppen herunter gefallen. Er ist gestürzt.Guck doch."
"Ach? Lass lieber und iss deine Wurst. Wenn die kalt ist, schmeckt die nicht."
"Der Arme. Hoffentlich hat er sich nichts getan."
"Sicher ein Betrunkener. Komm lieber weiter."
"Vielleicht braucht er Hilfe?"
"Vielleicht sollte er nicht soviel trinken?Komm jetzt."
"Der rührt sich gar nicht mehr. Oh je."
"Komm lass uns jetzt weiter. Ich will keine Probleme haben."
"Aber wenn er Hilfe braucht."
"Ich will keine Probleme haben."
"Aber man hat doch Verantwortung."
"Ich hab genug Verantwortung.Komm weiter."
"Wie bitte? Wo hast du denn Verantwortung?"
"Der Haushalt. Das Grab von meinem Mann. Die Kinder. Hör bloß auf, Schließ nicht von dir auf andere, ich hab genug Verantwortung."
"Aber wir können ihn doch nicht da liegen lassen."
"Doch das können wir. Der soll nicht so viel saufen. Los jetzt."
"Vielleicht hat der gar nicht gesoffen. Vielleicht ist der einfach falsch auf eine Stufe getreten."
"Ach was."
"Vielleicht läuft alles in seinem Leben falsch für ihn. Und jetzt auch noch der Sturz."
"Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Jetzt schmeiß die Wurst weg und komm."
"Oh, Adorno! Gabi, du wirst in deinen späten Jahren noch eine richtige Philosophin."
"Komm jetzt und rede nicht so ein Unsinn."